Freitag, 22. Februar 2013
Die Erzählungen eines afghanischen Gotteskriegers
An einem Vormittag saß ich mit vier Kameraden in einem Laden, der am äußersten Rande des Dorfes, kurz nach dem Ortseingang lag. Wir unterhielten uns, als ich ein Fahrrad vor dem Laden bremsen hörte. Ein Junge stürmte herein und kündigte an, dass die Russen unterwegs seien. Er stammte aus dem Nachbardorf und hatte das russische Konvoi in der Nähe seines Dorfes gesehen. „Weg hier!“, rief ein Kamerad aus. Alle verließen hastig den Laden. Ich wusste nicht, wohin. Die Kameraden rannten die unbefestigte Straße entlang, durch die Weizenfelder, in Richtung der Hauptstraße. Ich folgte ihnen. Kurz vor der Hauptstraße hielten sie Inne. Ich blieb auch stehen. Dann überquerten wir sie und rannten weiter. Wir liefen den nächsten Berg hinauf und versteckten uns keuchend hinter einem großen Stein. Es war ein sehr riskanter Flucht. Wir hätten unterwegs erwischt werden können. Und sich hinter einem Stein, höchstens zweihundert Meter von der Straße entfernt, zu verstecken, fand ich noch riskanter.
Nach fast zwei Stunden war vom Konvoi immer noch nichts zu sehen.
„Wo sind sie denn?“ fragte ich.
„Sie werden bald da sein. Sie fahren sehr langsam und machen lange Pausen.“, sagte Jandad, ein Kamerad. Jandad war schlank und groß, um die dreißig, hatte lange Haare, und war berühmt für seine Grausamkeit. Es wurde im Dorf herumerzählt, dass er einmal einen Menschen mit einer Axt hingerichtet hatte.
Und dann waren sie da. Ich sah mehrere Panzer und andere militärische Fahrzeuge, in einer Reihe die Hauptstraße hinauffahren. Sie fuhren wirklich sehr langsam. Ich war sehr aufgeregt. Den Feinden zu beobachten, ohne von ihnen gesehen zu werden, gab mir ein einzigartiges Gefühl.
„Eins, zwei, drei...“, Zählte Zaman, ein Kamerad, die Fahrzeuge. Zaman war sehr jung, nicht mal zwanzig Jahre alt, ziemlich kindisch und manchmal sehr naiv. Keiner nahm ihn ernst. Alle nannten ihn „Zaman, der Verrückte“.
„Sei leise!“, forderte Jandad ihn auf, ohne den Blick vom Konvoi zu nehmen.
„Sie können uns von so einer Entfernung nicht hören“, wandte Zaman ein.
„Doch! Und dann jagen sie dir einen Kugel in den Hintern.“, sagte Jandad spöttisch.
Diese Konversation brachte mich trotz der Aufregung zum Lachen. Zaman zählte die Fahrzeuge weiter, aber leiser.
Plötzlich hielt das Konvoi an. „Was ist denn?“, fragte ich beängstigt.
„Vor jedem Dorf legen sie eine Pause ein.“, erwiderte Jandad. „ Damit wollen sie uns verwirren. Man weiß nicht ob sie weiter fahren, oder das Dorf durchsuchen wollen.“, fügte er hinzu.
Einige russische und afghanische Offiziere stiegen aus ihren Fahrzeugen. Sie redeten miteinander, und deuteten dabei mit Finger auf die Berge. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich dachte, dass sie vorhätten zu uns heraufzukommen. Die Kameraden waren auch unruhig.
Nach einigen Minuten stiegen sie wieder in den Fahrzeugen, und fuhren weiter. Die Gefahr schien vorüber zu sein. Wir kehrten spät Abend ins Dorf zurück.

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