Freitag, 22. März 2013
Die Erzählungen eines afghanischen Gotteskriegers
Einmal passierte ein russischer Konvoi unser Dorf während wir uns in den Bergen versteckt hielten. Am darauffolgenden Tag saß ich, nach dem Mittagsgebet, mit dem Kommandanten, seinem Cousin und Leibwächter Ghulam, und drei weiteren Kameraden in der Moschee und unterhielten wir uns. Später kam auch Zaman, der Verrückte, herein und setzte sich zu uns.
„Und wieder hat es nicht geklappt“, sagte der Kommandant.
„Wir machen es vielleicht nicht richtig“, sagte Ghulam, sein Cousin.
Ghulam war ein guter Schütze, erzählten die Kameraden. Deshalb nahm ihn der Kommandant als sein Leibwächter.
„Wir machen alles richtig. Eine Mine explodiert nur dann, wenn ein Fahrzeug darüber fährt“, erwiderte der Kommandant.
Jetzt wusste ich, worum es ging.
„Habt ihr Minen gelegt?“, fragte ich.
„Nur eine Mine. Aber sie explodierte nicht“, entgegnete der Kommandant. „Unter dem Asphalt kann man keine Mine verlegen. Wir benutzen die Schlaglöcher, aber kein Fahrzeug fährt darüber“, fügte er hinzu.
Der Begriff „Schlagloch“ brachte mich auf eine Idee.
„Wir müssen sie dazu bringen, die Straße zu verlassen“, sagte ich.
„Und wie?“, fragte Ghulam, der Leibwächter.
Zaman der Verrückte, der bis dahin still neben Ghulam saß, blickte mir zu und sagte: „Nächstes Mal gehst du mit deiner Pistole vor, und forderst sie auf, das zu tun.“
Wir lachten alle.
„Ich werde einen Weg finden.“ Sagte ich.
In der Nacht ging ich in Begleitung von zwei Kameraden zur Hauptstraße. Hacke und Schaufel nahmen wir mit. Wir demolierten den Asphalt in einer Länge von mehreren Metern so heftig, dass die Straße an dieser Stelle unbefahrbar wurde. Unsere Arbeit war für diese Nacht beendet, und wir kehrten zurück.
Alle Autos, die die Straße passierten, wichen der beschädigten Stelle aus. Sie verließen gezwungenermaßen die Straße und fuhren ein Stück über das nebenliegende Feld. Im Verlauf einer Woche bildete sich parallel zu der Straße, eine unbefestigte schmale Fahrbahn, die zum Minenlegen sehr gut geeignet war. In der Gegenrichtung lief es nach dem gleichen Muster.
Als wir erfuhren, dass wieder ein Konvoi unterwegs war, ging ich mit Jandad, einem Kameraden, zu der Stelle. Mit seiner Hilfe versteckte ich eine Mine unter dem Erdboden und dann verschanzten wir uns in den Bergen. Die Möglichkeit, dass die Zivilisten in die Falle geraten, war gering. Kein Zivilfahrzeug durfte dem Konvoi vorausfahren. Die Russen ließen sich von niemandem überholen.
Ich saß neben einem Felsen, lehnte mich an ihn, und überlegte, ob es mit der Sprengfalle klappen würde. Wenn auch nicht, wäre es nicht so schlimm, dachte ich. Schließlich hatte es letztes Mal bei den anderen auch nicht geklappt.
Plötzlich hallte eine Explosion. Ich blickte zu Jandad, der ein paar Meter weiter auf dem Boden hockte.
„Das wär´s!“, sagte er lächelnd.
Ich nickte. Unser Plan war aufgegangen. Ich konnte es gar nicht glauben. Es war doch sehr einfach gewesen. Ich war sehr froh.
Am nächsten Tag gingen wir zu der Stelle und sahen einen Krater. Die Mine war eigentlich für einen Panzer gedacht, aber es war ein russischer Jeep darüber gefahren. Sogar in fünfzig Meter Entfernung fanden wir Menschenteile.
Dieser Art nach einen Anschlag auszuführen, wurde sehr bekannt. Überall demolierten die Aufständischen die asphaltierten Straßen, um so die feindlichen Konvois in die Falle zu locken.

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